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Archiv für den Monat März 2009

überirdisch

Montag, 16. März 2009

aufm blauen sofa erzählt matthias frings luzia braun, was er vergangenen samstag dem ronald m. schernikau erzählt hat, und dradio hats mitgeschnitten. hören sie sich das ausführliche gespräch an, das auf der leipziger buchmesse geführt wurde.

presseschau 2 – der letzte kommunist

Donnerstag, 12. März 2009

den sachbuchpreis der leipziger buchmesse durfte matthias frings nicht kriegen, dafür kriegt er kritiken wie die nachfolgend zitierten. übrigens: im schernikau blog können sie auch ihre eigene rezension veröffentlichen.

Frings, der später auch als Moderator des erfreulich unverklemmten Erotik-Fernsehmagazins „Liebe Sünde“ bleibende Verdienste erwarb, hat Schernikau in Berlin kennengelernt. Da war der Dichter, der „kleinstadtnovelle“ wegen, gerade eine vom Gerücht zur Berühmtheit sich aufschwingende Erscheinung, ein Wunderkind, ein Prinz. Frings baut einige Sätze, die viel Spaß machen („In diesem Sommer waren alle verliebt“), er versteht etwas von Bohemesoziologie, man lernt von ihm viel über Schlager, Rauschzustände, die feine Kunst der angeschickerten Konversation, Camp, das Schwärmen, das In-die-Wolken-Gucken und über Schernikaus Weg aus der Provinz ins Zentrum. Die Mutter des Dichters hatte ihn als Kind aus der DDR geschmuggelt, aber diese DDR, die sich hier einmal in Kunstdingen schlauer zeigte als sonst leider allzu oft, war mitgekommen bei jener Westreise, jedenfalls als Idee. In deren Wirklichkeit wollte Schernikau, der wusste, dass Ideen verhungern, wenn man sie künstlich von der Wirklichkeit trennt, später unbedingt zurück. Er hat es gerade noch geschafft, bevor der Staat, dem Schernikau zutraute, sein Zuhause werden zu können, versunken ist. Auch davon erzählt das Buch. dietmar dath in der faz

Das Merkwürdigste an Ronald M. Schernikau ist seine Literatur. Zugegeben, sein Leben ist auch ziemlich merkwürdig, jedenfalls solange wir meine, deine oder Spießers straighte Lebenslinie zum Vergleich nehmen. Als Kind im Kofferraum aus der DDR geschmuggelt, danach jahrzehntelang diesen Staat erträumend, ersehnend, in dessen realer und geistiger Welt er sich besser auskennt als wir uns im Raumschiff Enterprise; ein schwuler Kommunist – mit anderen Worten ein Widerspruch in sich; die ganze Hybridität, die daraus folgt: ein Propagandastück für ein Tuntenensemble, ein Schlager gegen Reagan für Marianne Rosenberg, ein monumentales Musical auf marxistischer Grundlage; schließlich der Schriftsteller, der allerletzter Bürger der DDR wird, mit 31 Jahren einen Tausendseiter abschließt und eine Woche darauf stirbt. Und das sind nur einige Daten.

Matthias Frings hat in seiner gründlich recherchierten Biografie all diese Kuriositäten ausgebreitet, und es ist dennoch kein Kuriositätenkabinett dabei herausgekommen. Wie ist ihm das gelungen? Indem er genau das getan hat, was ihm nun einige vorhalten: Er hat sich nicht auf die eine Person beschränkt, er hat keine bürgerliche Biografie geschrieben. Er verknüpft das Leben von Ronald M. Schernikau mit dem Ellen Schernikaus, das des Sohnes mit dem der Mutter, er täuscht keine Objektivität vor, sondern schreibt aus seiner eigenen Perspektive, er zeigt nicht the one and only, sondern einen Freundeskreis, eine Szene, eine Zeit, eine Gesellschaft. Anders gesagt: Er baut sein Buch nach Schernikaus Poetik. stefan ripplinger in der jungleworld

Matthias Frings deutet Schernikaus Leben nicht, er schnürt diesen von Politik und Sex und Kunst überquellenden Koffer nicht mit dem Gurt einer These zusammen. Es wäre von einem Freund auch zu viel verlangt. Frings hat ein persönliches, liebevolles, dabei dokumentarisches Werk über die Ikone einer Zeit geschaffen, in der die Politisierung von Sex und Identität ihren Höhepunkt erreichte.
Ob die ideologisierte Lust sich ohne Aids und Mauerfall anders entwickelt hätte als zum Hedonismus der Love Parade, zum coolen Sexkonsum? Und was wäre dann aus Ronald M. Schernikau geworden?
Leichter zu sagen ist, was von ihm bleiben sollte. Zündfunken wie die “einfache Probe” etwa, mit der Schernikau neue Leute testete, indem er das Gespräch auf Ideal und Wirklichkeit lenkte. Jammerte der Andere über die Wirklichkeit, konnte man ihn vergessen, redet er über seine Ideale: Dann wurde es interessant. wilhelm trapp in der süddeutschen

frings liest

Mittwoch, 04. März 2009

alle veranstaltungsorte und termine finden sie hier

entkoppelung im spiegel

Montag, 02. März 2009

warum sollte heute ein schriftsteller in unser interesse rücken, der wegen seiner politischen unbequemlichkeit sowohl in ost wie auch in west kaum gedruckt wurde?
weil wir, so könnte eine antwort lauten, heute, zwanzig jahre nach dem ende der ddr, möglicherweise eher in der lage sind, ein ästhetisches werk von seiner politischen ausrichtung zu entkoppeln. ein beispiel für so eine gelungene entkopplung ist der ddr-grossdichter peter hacks, der bis zu seinem tod im jahr 2003 die mauer pries und den massenmörder stalin und der nach der wende, als ein linker ddrler wie heiner müller längst vom deutschen feuilleton umarmt worden war, noch lange im abseits stand – aufgrund seiner politischen ansichten so geächtet, dass die qualität seiner verse nicht zählte.
das hat sich erst in den vergangenen jahren geändert, plötzlich ist auch peter hacks im traditionell bürgerlichen westdeutschen kanon willkommen.
mit ronald schernikau steht nun der nächste schriftsteller bereit … meint philipp oehmke im spiegel von heute.

presseschau 1 – der letzte kommunist

Sonntag, 01. März 2009

im folgenden auszüge aus ersten rezensionen, meistens mit link zum langtext. übrigens: im schernikau blog können sie auch ihre eigene rezension veröffentlichen.

So wurde aus dem Drehbuch ein dicker Prosa-Wälzer, eine Art erinnerte Biografie – anschaulich und szenisch, spannend und pointiert erzählt. Frings ringt unsentimental wie gründlich darum, seinen Freund zu enträtseln und schreibt doch streng aus seiner Sicht. birgit walter in der berliner zeitung

Frings hat populäre Bücher über männliche Sexualität, Homosexualität und Aids geschrieben, er war Radiojournalist und taz-Kolumnist sowie Fernsehproduzent und Moderator der ersten Erotiksendung im deutschen Fernsehen “Liebe Sünde”. Vor allem aber war Matthias Frings ein enger Freund Ronald Schernikaus – und genau das hat ihn dazu qualifiziert, eine intime, detailreiche und von der ersten bis zur letzten Seite unterhaltsame Biografie über einen Autor zu schreiben, dessen Leben auch traumhaft gewesen sein mag, in einem viel größeren Maße aber tragisch war – eine Folge fortgesetzter Niederlagen, eine Geschichte des grandiosen Scheiterns. susanne messmer in der taz

Frings hat jahrelang recherchiert, hat Interviews geführt, Schernikaus Nachlass gesichtet und Briefe gelesen, und doch ist “Der letzte Kommunist” vor allem ein Buch über Matthias Frings geworden; Schernikau spielt sozusagen die zweite Hauptrolle. jörg sundermeier in der fr

Der letzte Kommunist ist nicht nur wegen der zahlreichen kurzweiligen Anekdoten (Alltag schwuler Intellektueller, Beziehungsdramen, Aids-Hysterie, Nachtleben, Klatsch usw.), sondern auch wegen der detailverliebten und aus eigener Anschauung gespeisten Beschreibung eines Ambientes, eines Zeitkolorits, über weite Strecken ein Lesevergnügen – sofern es einem gelingt, von der zeitweise enervierenden Eitelkeit des Autors abzusehen, dem Alice Schwarzer bereits in den Achtzigern “viel Freude am Formulieren” attestierte und der fortwährend fast ebensoviel von sich selbst erzählt wie von seinen zeitgenossen … thomas blum in konkret 3/9